Es gibt in meinem Alltag ab und zu diese Momente, in denen Kleinigkeiten eine Erinnerung auslösen, Erinnerungen an manche Menschen, die nur Begegnungen waren und nie zu meinem Leben gehörten. Menschen, die aber dennoch etwas hinterlassen haben, bei und in mir.

Einer dieser besonderen Begegnungen war Karl-Heinz. Als ich meine Ausbildung begann, gab es noch ein Land das Persien hieß und vom Schah regiert wurde. Ich erzähle das, um Euch zu zeigen, von welch konservativer, stocksteifer und prinzipieller Zeit ich rede. Die Ausbildung absolvierte ich im „bestem Haus“ am Platze, Anzug und schwarz-weiß in der Kleidung und in den Gedanken waren die Norm. Unsere Abteilung bestand aus 20 Männern, 40-60 Jahre alt und zwei „Lehrlingen“. Eines Tages kam ein neuer Kollege und wurde bei einem Glas Sekt vorgestellt.

Seine ersten Worte an die Runde waren: Ich heiße Karl-Heinz und bin schwul…

Stille und betretenes Wegsehen waren die Folge. Doch schon nach kurzer Zeit war Karl-Heinz Realität und hatte mit seiner Ehrlichkeit, seinem Mut und seinem Charakter alle Empörung, Verachtung und falscher Moral das Wasser abgegraben. Sein Freund war ein bekannter Schauspieler an unserem Stadttheater und es wurde nie mehr versucht, ihn zum Thema zu machen.

Ich ging mit meinen dann 16 Jahren öfters mit ihm essen oder einfach was trinken. Ich lernte Gespräche zu führen, die Substanz und Tiefe hatten, mich für andere zu interessieren und mich geschmeidig in allen Gesellschaftsschichten zu bewegen. Seine Art Liebe war nie ein Gesprächsthema bei uns, da es ja normal und selbstverständlich war. Ich lernte multikulturell zu denken und andere anders sein zu lassen. Deswegen denke ich heute in manchen Situationen: Danke Karl-Heinz!

Ich hätte nie mit 16 Jahren die Biografie von Edith Piaf gelesen, nie die Du Mont Kunstreiseführer der Provence und Toskana und hätte auch nie Verdi gehört. Heute denke ich in diesen Zusammenhängen an ihn.

Er zeigte mir, dass Geschmack nichts mit Marke oder Label zu tun hat, sondern mit eigener Persönlichkeit und Stil.

Er erzählte mir einmal, dass Leben auch heißt, es zu fühlen, zu atmen, zu sein und sein zu lassen. Dieser Satz ging mir nie mehr verloren.

Nach zwei Jahren war unser Weg zu Ende und ich habe ihn nie mehr gesehen, trotzdem blieb er eine Lebenserinnerung!